Bei der Unterscheidungskraft einer Marke ist auch das Allgemeininteresse an der Freihaltung von Zeichen zu berücksichtigen.

Im aktuellen Fall beantragte die Antragstellerin die Eintragung einer Bildmarke.

Die Antragstellerin beantragte den Schutz ihrer internationalen Bildmarke (IR 1489509) in Österreich für die Waren der Klasse 33 für alkoholische Getränke:

Die grafische Darstellung sah wie folgt aus:

Der Antrag auf Eintragung wurde abgewiesen. Wie kam es dazu?

Zusammenfassung

Primäre Funktion einer Marke ist, Waren und Dienstleistungen eins Unternehmens von jenen eines anderen Unternehmens zu unterscheiden. Liegt diese sog. Unterscheidungskraft nicht vor, ist die Marke von der Registrierung ausgeschlossen.

Bei der Unterscheidungskraft einer Marke ist insbesondere auf die Wahrnehmung der beteiligten Verkehrskreise abzustellen, es ist der Gesamteindruck, den der Durchschnittsbetrachter gewinnt, maßgeblich. Zudem besteht auch ein gewisses Allgemeininteresse an der Freihaltung bestimmter Zeichen, weil die Verfügbarkeit für andere Wirtschaftsteilnehmer, die Waren der von der Anmeldung erfassten Art anbieten, nicht ungerechtfertigt beschränkt werden darf.

Im konkreten Fall unterscheidet sich die Bildmarke nicht von den gängigen Gestaltungsformen anderer Hersteller solcher alkoholischen Getränke. Der Bildmarke fehlt ganz klar die prägnante und außergewöhnliche Gestaltung. Denn in ihrer aktuellen Ausgestaltung gelingt es der Marke nicht, aus dem vorhandenen und geläufigen Kreationsschatz herauszustechen.

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Beschluss des OLG Wien zu GZ 33R126/20x vom 08.03.2021

Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht ***** wegen Gewährung des Schutzes der internationalen Bildmarke IR 1489509 über den Rekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss der Rechtsabteilung des Patentamts vom 9.10.2020, IR 338/2020-3, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteigt EUR 30.000.

Der ordentliche Revisionsrekurs ist nicht zulässig.

Begründung

1. Die Antragstellerin ist Inhaberin der nachstehenden internationalen Bildmarke IR 1489509

mit der Priorität vom 1.2.2019, eingetragen für die Waren der Klasse 33 (Alcoholic beverages [excluding beers], wines, sparkling wines, wines with the protected appellation of origin Champagne).

2. Mit dem angefochtenen Beschluss verweigerte das Patentamt den Schutz in Österreich mit der stichwortartigen, gerade noch tolerablen Begründung: „Keine Unterscheidungskraft; die Marke besteht nur aus der Darstellung der Ware beziehungsweise der Verpackung ohne jede Besonderheit; kein Hinweis auf ein bestimmtes Unternehmen“.

3. Dagegen richtet sich der Rekurs der Antragstellerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Schutzzulassung für die beantragten Waren der Klasse 33 in Österreich.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

4.1 Die Rechtsfolge der beim Internationalen Büro der Weltorganisation für geistiges Eigentum (

WIPO) in Genf vorgenommenen Registrierung einer internationalen Marke ist grundsätzlich, dass sie in jedem Vertragsstaat (auf den sich der Schutz erstreckt, vgl Art 3bis Abs 1 MMA und Art 3ter PMMA) so geschützt ist, wie wenn sie in jedem der betroffenen Vertragsländer unmittelbar hinterlegt (eingetragen) worden wäre (Art 4 Abs 1 S 1 MMA, Art 4 Abs 1 lit a S 1 PMMA; Koppensteiner, Markenrecht4 243; 4 Ob 128/03gOm 4/10).

4.2 Die Behörde eines Verbandslandes, der eine internationale Registrierung notifiziert wurde, kann diese wie eine nationale Anmeldung prüfen, sie ist bei der Prüfung allerdings gemäß Art 5 MMA/PMMA auf die in Art 6quinquies Teil B Z 2 der PVÜ genannten Gründe beschränkt (Ullrich in Kucsko/Schumacher, marken.schutz³ § 2 Rz 88 f).

4.3 Im Fall der Versagung des Schutzes einer internationalen Marke durch das österreichische Patentamt hat die Antragstellerin dieselben Rechtsmittel, die sie hätte, wäre ein Eintragungsantrag im Schutzverweigerungsland gestellt worden; sie kann dagegen mit Rekurs nach § 37 MSchG vorgehen (Koppensteiner, Markenrecht243 mwH; Ullrich in Kucsko/Schumacher, marken.schutz³ § 2 Rz 96).

5. Nach § 4 Abs 1 Z 3 MSchG sind Zeichen von der Registrierung ausgeschlossen, die keine Unterscheidungskraft haben.

5.1 Ob einem Zeichen Unterscheidungskraft zukommt, ist anhand seines Gesamteindrucks zu beurteilen (Koppensteiner, Markenrecht4 82; RS0079038). Unterscheidungskräftig ist eine Marke, wenn sie unmittelbar als Hinweis auf die betriebliche Herkunft der fraglichen Waren oder Dienstleistungen wahrgenommen werden kann, so dass die maßgeblichen Verkehrskreise die Waren oder Dienstleistungen des Markeninhabers ohne Verwechslungsgefahr von denen mit anderer betrieblicher Herkunft unterscheiden können (C-108/97, Chiemsee; C-104/00 P, Companyline; EuG T-471/07, Tame it, Rn 15 mwN; C-398/08Vorsprung durch Technik; RS0118396; 4 Ob 10/14wJimi Hendrix4 Ob 49/14fMy TAXI).

5.2 Fehlt die Unterscheidungskraft, kann das Zeichen die Hauptfunktion der Marke als betrieblicher Herkunftshinweis nicht erfüllen (Obm 1/11, Oxi-Effekt mwN; 4 Ob 38/06aShopping City mwN; RS0118396). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen (vgl Obm 1/13Malzmeister mwN; ähnlich RS0122383). Dies bedeutet aber nicht, dass eine Marke im Zweifel zuzulassen ist (vglC-104/01, Orange, Rz 58 und 59; C-64/02Das Prinzip der Bequemlichkeit).

5.3 Ob die Unterscheidungskraft vorliegt, ist nach objektiven Kriterien unter Berücksichtigung der Branchenüblichkeit anhand der konkret beanspruchten Waren zu prüfen, für die das Zeichen angemeldet wurde (Asperger in Kucsko/Schumacher, marken.schutz³ § 4 Rz 57; 4 Ob 10/14wJimi Hendrix mwN).

Abzustellen ist auf die Wahrnehmung der beteiligten Verkehrskreise, also auf den Handel und/oder den normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher dieser Waren (Asperger aaO § 4 Rz 65 mwN der Rsp; C-104/01Orange, Rz 46 und 63; RS0079038 [T1]; RS0114366 [T5]; 4 Ob 77/15z, Amarillo).

5.4 Diese Grundsätze gelten auch für reine Bildmarken (mit zahlreichen Beispielen Asperger aaO § 4 Rz 129 ff; OLG Wien 34 R 17/14s, Wollsiegel) als auch für Formmarken (C-344/10 P, Freixenet; 4 Ob 239/04g mwN; RS0079038 [T4]; OLG Wien 34 R 122/15h, Joghurtbecher, ÖBl 2016/30, 125 [Pöchhacker/Riede]; Ströbele in Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG13 § 8 Rz 292 ff; Ingerl/Rohnke, MarkenG§ 8 Rz 186 f). Bei der Beurteilung ist der Gesamteindruck maßgebend, den der Durchschnittsbetrachter von der Marke gewinnt; eine Zergliederung in schutzfähige und schutzunfähige Bestandteile ist nicht zulässig (17 Ob 2/08fRoter Koffer17 Ob 30/11b, Goldhase VI; RS0119660). Abzustellen ist auf den durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsadressaten der betreffenden Warenart (C-342/97Lloyd/Lloint’s, Rn 26 mwN; 17 Ob 15/07s; RS0117324).

5.5 Grundsätzlich verlangt die Beurteilung auch die Berücksichtigung des Allgemeininteresses an der Freihaltung von Zeichen. In der Judikatur findet dies seinen Niederschlag in der Vorgabe, dass die Verfügbarkeit für andere Wirtschaftsteilnehmer, die Waren der von der Anmeldung erfassten Art anbieten, nicht ungerechtfertigt beschränkt wird. Hierbei ist eine potenzielle Beeinträchtigung in der Zukunft einer unmittelbaren und tatsächlichen Beeinträchtigung gleichzustellen (Asperger aaO § 4 Rz 66 mwN).

Mit Blick auf das gegebene Freihaltebedürfnis sieht die Rechtsprechung beispielsweise reine Farbmarken, die mit Bildmarken eng verwandt sind, aber auch Formmarken nur unter der Voraussetzung als registrierbar an, wenn sie bereits durch Benutzung Bekanntheit erlangt haben.

6. Auf dieser Grundlage besitzt das angemeldete Zeichen im Gesamteindruck keine Unterscheidungskraft. Das Zeichen zeigt das Bild einer für eine bestimmte Getränkeart typischen, handelsüblichen Flasche in verschieden Farben (weiß, schwarz und gold) und mit verschiedenen Elementen. Die Bildbestandteile wurden daher zutreffend nach der Wiener Klassifikation mit

19.7.1       (Bottles or flasks in circular or elliptical horizontal cross section)

24.3.1       (Seals or stamps)

24.3.7       (Seals or stamps, circular)

25.1.15      (Labels, collarettes (bottle-neck labels [Note: Not including tie-on labels (20.5.15)]) und

29.1.13      (Three predominant colours)

festgelegt (vgl Asperger aaO § 21 Rz 19).

Das Rekursgericht verkennt nicht, dass die Antragstellerin nicht den (alleinigen) Schutz für die Flaschenform beansprucht. Jedoch umfasst die Beurteilung für eine Schutzzulassung dieser Bildmarke auch die bildliche Darstellung einer bestimmten Flaschenform samt der vermeintlich charakteristische Gestaltung der „Verpackung“, das ist auch die Gestaltung der Dekoration der Flasche.

Im Gesamterscheinungsbild dominiert die zur Gänze abgebildete, allgemein übliche Flaschenform, die die dekorativen Elemente (schwarze Schleife mit einem runden Siegel, fünfzackiger goldener Stern auf der Höhe des Korkens sowie andere goldene Verzierungen) in den Hintergrund drängt, zumal dekorative Elemente in der Regel von nahezu allen verwendet werden, um die Produkte der Klasse 33 bereits beim ersten Anblick zu attraktivieren und die Exklusivität des Produkts werblich hervorzustreichen. Daher ist auch der Verkehr daran gewöhnt, alkoholische Getränke – wie jene in der beantragten Klasse 33 – verschiedener Marken anhand der Etiketten zu unterscheiden, was den Umstand unterstreicht, dass dekorative Elemente dies alleine in der Regel nicht bewerkstelligen können.

Allein der Umstand, dass die Farbe der Flasche weiß und nicht transparent oder grün (bis schwarz) ist und auf dieser weißen Grundfärbung schwarze und goldene Akzente gesetzt werden, führt nicht dazu, dass die Verpackung (das Erscheinungsbild) dieser Flasche und dekorative Teilelemente der Verpackung von der Norm und der Branchenüblichkeit erheblich abweichen, sodass sie unmittelbar als Hinweis auf eine bestimmte betriebliche Herkunft wahrgenommen werden könnte. Die weiße Beschichtung der Flasche (im Sinne des Bildes einer weißen Flasche) ist im Gegensatz zum grünen (bis schwarzen) oder transparenten herkömmlichen Glas zwar nicht häufig, aber keinesfalls einzigartig oder originell, um die so bezeichneten Waren gegenüber den Mitbewerbern individualisieren zu können. Unterschiedliche Farbbeschichtungen von Flaschen (Flaschenfarben) liegen grundsätzlich im Trend und haben die Designpalette der Gestaltung dieser Waren im dekorativen Bereich erweitert.

Ähnliches gilt im Gesamteindruck für die Dekoration des Flaschenhalses mit der schwarzen Schleife, die mit einem runden goldenen Siegel samt Krone fixiert wird. Die Schleife ist im Gesamtbild der hier zu beurteilenden Bildmarke (wie auch der fünfzackige Stern auf der Höhe des Korkens) wieder nur ein rein dekoratives Element, das ausschließlich die Exklusivität des Inhalts des Produkts bewirbt, aber die vordergründige Dominanz der Flaschenform in der Wahrnehmung nicht beseitigt. Der Umstand, dass die Schleife allein bereits mehrfach in der Klasse 33 als Marke registriert ist, kann daran nichts ändern. Sie ist in dieser Form (nur) ein dekoratives Teilelement der Gesamtpräsentation der (einer) Flasche.

Im Ergebnis ist die Entscheidung des Patentamts nicht korrekturbedürftig. Insgesamt fehlt der Marke eine prägnante und außergewöhnliche Gestaltung, die gegenüber den gängigen Gestaltungsformen von anderen Herstellern dieser alkoholischen Getränke als auffallend, eigentümlich oder originell angesehen werden könnte und die die Fähigkeit verleihen würde, erkennbar aus dem vorhandenen und geläufigen Kreationsschatz herauszustechen, um allein aufgrund der Verpackungsweise als Produkt eines bestimmten Unternehmens und nicht nur als Verpackung wahrgenommen zu werden (BGH I ZB 88/07, ROCHER-Kugeln; Asperger aaO § 4 Rz 133 und 140 mwN).

Auf das weitere, auch im Rekurs wiederum betonte Argumente der Antragstellerin, die nationale Schutzzulassung für andere, angeblich vergleichbare internationale Marken sei erfolgt, ist nicht einzugehen, weil eine präjudizielle Bindung zur verneinen ist (RS0125405).

Dass außerdem die Eintragbarkeit selbst ein- und derselben internationalen Marke unterschiedlich beurteilt werden kann, ist im Madrider System grundgelegt; die Gewährung oder die Verweigerung von Schutz in anderen Staaten kann daher im nationalen Verfahren nur nach Maßgabe der Überzeugungskraft die jeweiligen Gründe berücksichtigt werden (4 Ob 11/14 t, EXPRESSGLASS).

7. Ob eine Marke originäre Unterscheidungskraft besitzt, ist eine Frage des Einzellfalls (für die markenrechtliche Verwechslungsgefahr: RS0111880). Da die Entscheidung damit keine Rechtsfragen von der Qualität des § 62 Abs 1 AußStrG aufwarf und über den Einzelfall hinaus nicht bedeutsam ist (RS0111880), ist der Revisionsrekurs nicht zulässig.

In diesem Fall hat das Rekursgericht nach § 59 Abs 2 AußStrG auszusprechen, ob der Wert des Entscheidungsgegenstands, der – wie hier – rein vermögensrechtlicher Natur ist, aber nicht in einem Geldbetrag besteht, EUR 30.000 übersteigt. Diese Voraussetzung ist angesichts der Bedeutung des Markenschutzes im Wirtschaftsleben gegeben.

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