Bei der Verwechslungsgefahr ist auf die Ähnlichkeit der Marken & der von ihnen erfassten Waren/Dienstleistungen abzustellen.

Im aktuellen Fall erhob die Antragstellerin Widerspruch gegen die Registrierung einer Marke.

Die Antragsgegnerin hat nachstehende internationale Wort-Bild-Marke unter anderem für Waren der Klasse 3 registriert (Nr. 1427878):

Dagegen erhob die Antragstellerin Widerspruch und stützte sich dabei auf ihre eigene Wortmarke „CLIN“ (IR 188176), ebenfalls für Waren der Klasse 3.

Der Widerspruch wurde abgewiesen. Wie kam es dazu?

Zusammenfassung

Für die Frage nach der Verwechslungsgefahr ist insb. auf die Ähnlichkeit der Marken, ihre Kennzeichnungskraft und die Ähnlichkeit der von ihnen erfassten Waren und Dienstleistungen sowie die maßgebenden Verkehrskreise abzustellen. Um beurteilen zu können, ob die Waren und Dienstleistungen ähnlich sind, ist ihre Art, ihr Verwendungszweck und ihre Nutzung sowie Eigenart zu untersuchen. Verwechslungsgefahr ist insbesondere dann gegeben, wenn die Marken in Wortklang, Wortbild oder Wortsinn übereinstimmen.

Bei eingetragenen Marken wird die Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen anhand eines Vergleichs der Waren- und Dienstleistungsverzeichnisse laut Registrierung beurteilt.

Im konkreten Fall besteht zwischen der Widerspruchsmarke der Antragstellerin und der angegriffenen Marke der Antragsgegnerin keine Verwechslungsgefahr. Denn einerseits ist zwischen den beiden Marken sowohl optisch als auch in der Wortbedeutung ein ausreichend großer Abstand gegeben. Andererseits unterscheidet sich auch die Aussprache.

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Beschluss des OLG Wien zu GZ 33R103/20i vom 14.12.2020

Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht ***** wegen des Widerspruchs gegen die Schutzzulassung der internationalen Marke Nr. 1427878 über den Rekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss der Rechtsabteilung des Patentamts vom 15.5.2020, IR 63/2019-9, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung wird abgewiesen.

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteigt EUR 30.000.

Der ordentliche Revisionsrekurs ist nicht zulässig.

Begründung

1. Die Antragstellerin stützt sich auf ihre Wortmarke IR 188176 (Widerspruchsmarke)

CLIN

(mit der Priorität vom 18.10.1955) und die nachstehenden von ihr erfassten Waren in der Klasse

3        soaps, washing and bleaching substances, stain removing substances, cleaning and polishing substances (except for leather), products for cleaning glass.

         [Seifen, Wasch- und Bleichmittel, Fleckenentfernungsmittel, Reinigungs- und Poliermittel (ausgenommen für Leder), Glasreiniger.]

2. Sie widersprach der Schutzzulassung der der internationalen Wortbildmarke (angegriffene Marke) Nr. 1427878

(mit der Priorität vom 5.1.2018) in Bezug auf die nachstehenden eingetragenen Waren der Klasse

3        Bleaching agents and other detergents; cleaning, polishing, degreasing and abrasive preparations; shining preparations [polish]; polishing agents; stain removers; soaps; preparations for cleaning and degreasing furniture and floors; detergents for removing paint, printing ink, grease, soot, rust and copper green; preparations for removing limescale, for household use; preparations for unblocking drain pipes; graffiti removing substances; cleaning products for plastic garden furniture; cleaning agents for the removal of scale and other (extreme) contamination on water-resistant surfaces; washing, rinsing and cleaning agents, stain removers; preparations for cleaning vehicles including car shampoos, cockpit sprays, wheel cleaners, ice-free cleaners; preparations for cleaning various equipment including washing machines, dishwashers.

         [Bleichmittel und andere Detergenzien; Putz-, Polier-, Fettentfernungs- und Scheuermittel; Glanzmittel [Politur]; Poliermittel; Fleckenentferner; Seifen; Mittel zum Reinigen und Entfetten von Möbeln und Böden; Reinigungsmittel zum Entfernen von Farbe, Druckfarbe, Fett, Ruß, Rost und Kupfergrün; Kalkentfernungsmittel für den Haushalt; Präparate zur Beseitigung der Verstopfung von Abflussrohren; Substanzen zur Entfernung von Graffiti; Reinigungsmittel für Gartenmöbel aus Kunststoff; Reinigungsmittel zur Entfernung von Zunder und anderen (extremen) Verunreinigungen auf wasserfesten Oberflächen; Wasch-, Spül- und Reinigungsmittel, Fleckenentferner; Reinigungsmittel für Fahrzeuge, einschließlich Autoshampoos, Cockpit-Sprays, Felgenreiniger und Reiniger zum Enteisen; Reinigungsmittel für verschiedene Ausstattungen einschließlich Waschmaschinen, Geschirrspüler.]

Die anderen Waren der Klassen 3, 4 und 5 waren vom Widerspruch nicht umfasst.

Die Antragstellerin behauptet die Verwechslungsgefahr zwischen den Zeichen und den genannten Waren in der Klasse 3. Bei der angegriffenen Marke sei lediglich der einleitende Wortbestandteil „Clean“ als wesentlich und charakteristisch anzusehen, weil die zusätzlichen Bestandteile „at home“, die auch in einer kleineren Schriftgröße angeführt seien, wegen der lediglich beschreibenden und leicht verständlichen Angabe eine untergeordnete Bedeutung hätten; so auch die graphischen Elemente. „Clean“ und „CLIN“ würden im Wortklang übereinstimmen. CLIN werde optisch auch als Verballhornung des einfachen und gut bekannten englischen Ausdrucks „Clean“ angesehen. Somit sei auch der Wortsinn ident. Aufgrund der bestehenden Warengleichartigkeit und/oder -ähnlichkeit bestehe Verwechslungsgefahr.

3. Die Antragsgegnerin beantragte die Abweisung des Widerspruchs und entgegnete, dass keine verwechselbare Ähnlichkeit bestehe. Bei der angegriffene Marke gebe es einen prägenden Bildbestandteil, der dazu beitrage, die Verwechslungsgefahr auszuschließen. Umso mehr, wenn sich die Zeichen aufgrund ihrer Bedeutung eindeutig und leicht auseinanderhalten lassen. Aufgrund der wesentlichen Unterschiede der Wortbestandteile, auch in ihrer Bedeutung und der auffallenden graphischen Gestaltung der angegriffenen Marke bestehe keine Verwechslungsgefahr.

4. Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Patentamt den Widerspruch ab. Zwischen den Zeichen bestehe keine Ähnlichkeit. Bei der angegriffenen Marke sei der Bestandteil „at home“ im Vergleich zur beschreibenden Angabe „Clean“ prägender für den Gesamteindruck. Trotz Warenidentität bzw hochgradiger Warenähnlichkeit sei im Gesamteindruck die Verwechslungsgefahr auszuschließen.

5. Dagegen richtet sich der Rekurs der Antragstellerin erkennbar aus dem Rekursgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, dem Widerspruch stattzugeben, wobei vorsorglich auch die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung beantragt wird.

Die Antragsgegnerin beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

6. Im Widerspruchsverfahren ist – mit gewissen hier nicht interessierenden Ausnahmen – das AußStrG sinngemäß anzuwenden (vgl OLG Wien 34 R 70/16p uva). Eine mündliche Verhandlung findet im Rekursverfahren nach § 52 Abs 1 erster Satz AußStrG statt, wenn das Rekursgericht eine solche für erforderlich erachtet. Selbst beim Vorliegen eines Antrags ist sie nicht zwingend vorzunehmen (RS0120357; zustimmend Klicka in Rechberger, AußStrG2 § 52 Rz 1).

Besondere Sachverhaltsfragen stellen sich hier nicht und auch die Rechtslage ist nicht von besonderer Komplexität. Die Beurteilung der Unterscheidungskraft ist in der Regel eine Rechtsfrage (stRsp, RS0043640). Daher steht auch Art 6 EMRK dem Unterbleiben einer Verhandlung nicht entgegen (vgl Terlitza in Kucsko/Schumacher, marken.schutz3 § 37 Rz 25 mwN).

7.1 Im Widerspruchsverfahren ist in erster Linie auf den Registerstand abzustellen, also abstrakt zu prüfen (RS0066553 [T13]). Daher sind die Marken laut Registrierung zu vergleichen. Auch hinsichtlich der Waren- und Dienstleistungsähnlichkeit sind – zumindest während der Fünfjahresfrist des § 33a MSchG – ausschließlich die entsprechenden Registereintragungen maßgeblich und nicht, für welche Waren und Dienstleistungen oder in welchen Vertriebskanälen die Marken tatsächlich verwendet werden (Schumacher in Kucsko/Schumacher, marken.schutz3 § 30 Rz 10 f mwN).

Bei der Beurteilung der Ähnlichkeit der betroffenen Waren oder Dienstleistungen sind alle erheblichen Faktoren zu berücksichtigen, die das Verhältnis zwischen den Waren oder Dienstleistungen kennzeichnen. Zu diesen Faktoren gehören – ausgehend vom Registerstand – insbesondere ihre Art, ihr Verwendungszweck und ihre Nutzung sowie die Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Waren oder Dienstleistungen (vgl C-39/97Cannon/Canon, Rn 23; Koppensteiner, Markenrecht4 117 mwN bei FN 108).

7.2 Für den Begriff der markenrechtlichen Verwechslungsgefahr gilt ein gemeinschaftsweit einheitlicher Maßstab, den der EuGH in mehreren Entscheidungen konkretisiert hat (zB C-191/11 P, Yorma’s, Rn 43; vgl auch EuG T-599/10, Eurocool, Rn 97); dem folgt auch die ständige österreichische Rechtsprechung. Danach ist die Verwechslungsgefahr unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen (4 Ob 325/00yT-One mwN; 4 Ob 273/02dKleiner Feigling ua; RS0121500 [insb T4], RS0121482, RS0117324; 4 Ob 238/04k4 Ob 154/06k17 Ob 1/08h17 Ob 32/08t4 Ob 7/12a4 Ob 139/13iSchumacher in Kucsko/Schumacher, marken.schutz3 § 10 Rz 380 ff mwN).

7.3 Eine umfassende Beurteilung bedeutet, dass auf die Wechselbeziehung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere die Ähnlichkeit der Marken, ihre Kennzeichnungskraft und auf die Ähnlichkeit der von ihnen erfassten Waren oder Dienstleistungen Bedacht zu nehmen ist (vgl RS0121482).

So kann ein geringer Grad der Gleichartigkeit der erfassten Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden und umgekehrt (C-39/97Cannon/Canon). Folge dieser Wechselwirkung ist, dass bei Waren- oder Dienstleistungsidentität ein wesentlich deutlicherer Abstand der Zeichen selbst erforderlich ist, um die Verwechslungsgefahr auszuschließen, als bei einem größeren Waren- oder Dienstleistungsabstand (RS0116294; 4 Ob 36/04dFirn; 17 Ob 36/08fKobra/cobra-couture.at; Koppensteiner, Markenrecht4 111 mwN).

7.4 Die Verwechslungsgefahr ist nach dem Gesamteindruck auf die durchschnittlich informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Angehörigen der maßgeblichen Verkehrskreise der betreffenden Waren oder Dienstleistungen zu prüfen (RS0117324; Schumacher in Kucsko/Schumacher, marken.schutz3 § 10 Rz 416 ff mwN; Koppensteiner, Markenrecht4 111). Maßgeblich ist der Gesamteindruck, den ein nicht ganz unbeträchtlicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise bei flüchtiger Wahrnehmung empfängt (ÖBl 1979, 45, Texhages/Texmoden; ÖBl 1991, 93, quattro/Quadra; 4 Ob 139/02ySummer Splash; RS0078944; C-342/97Lloyd, Rn 26).

Die Frage der Verwechslungsgefahr ist zudem eine Rechtsfrage und daher grundsätzlich auch keinem Beweisverfahren zugänglich (ÖBl 1994, 227, Ritter/Knight; stRsp RS0043640).

7.5 Die Verwechslungsgefahr ist in der Regel schon dann anzunehmen, wenn eine Übereinstimmung in einem der Kriterien Bild, Klang oder Bedeutung besteht (4 Ob 330/97a = ÖBl 1998, 246, GO; 4 Ob 55/04y = RS0079190 [T22]; RS0108039; RS0117324; RS0079571; 17 Ob 36/08fKobra/Cobra; 4 Ob 57/14g, Ionit/Isonit).

Auch bei Wortzeichen muss für eine Verwechslungsgefahr eine Übereinstimmung in einem der drei genannten Kriterien bestehen (RS0079571, RS0079190 [T22]; Om 4/02, Kathreiner).

Schutzunfähige oder schwache Bestandteile, die den streitverfangenen Zeichen gemeinsam sind, tragen im Regelfall nur wenig zum jeweiligen Gesamteindruck bei, sodass schon geringe Abweichungen in den übrigen Bestandteilen ausreichen können, um die Verwechslungsgefahr auszuschließen (4 Ob 334/74 = SZ 47/103, Pregnex/Pregtest; RS0066749, RS0066753; 17 Ob 18/11pJunkerschinken).

7.6 Bei einem aus Wort und Bild zusammengesetzten Zeichen ist in der Regel der Wortbestandteil maßgeblich, weil sich der Geschäftsverkehr meist an diesem – sofern er unterscheidungskräftig ist – zu orientieren pflegt und vor allem den Wortbestandteil im Gedächtnis behält (RS0066779; Koppensteiner, Markenrecht4 116). Das Recht an einer Wortbildmarke wird daher regelmäßig auch durch solche Zeichen verletzt, die nur den unterscheidungskräftigen Wortbestandteil in einer zur Herbeiführung von Verwechslungen geeigneten Weise wiedergeben (ÖBl 1988, 154, Preishammer; ÖBl 1996, 279, Bacardi/Baccara; 4 Ob 119/02g4 Ob 10/03dMore).

Maßgeblich sind auch hier der Gesamteindruck und die Wirkung auf einen Durchschnittsverbraucher der betreffenden Waren oder Dienstleistungen (RS0117324; 4 Ob 124/06yHotel Harmonie/Harmony Hotels).

8. Wendet man diese Grundsätze im vorliegenden Fall an, so besteht keine Notwendigkeit, die Entscheidung des Patentamts zu korrigieren.

Unabhängig davon, ob man die angegriffene Marke als „at home Clean“ oder „Clean at home“ wahrnimmt, ist sowohl optisch als auch in der Wortbedeutung ein ausreichend großer, die Verwechslungsgefahr ausschließender Abstand gegeben. In Bezug auf den Klang ist auch das Rekursgericht der Ansicht, dass es hier zu einer unterschiedlichen Aussprache zwischen den Wörtern „Clean“ und „Clin“ kommt. Die Widerspruchsmarke wird zwangsläufig kürzer ausgesprochen als das bekannte englische Wort „clean“. Die behauptete Verballhornung ist weder bekannt noch wäre sie geläufig; es kann in CLIN auch keine solche gegenüber „Clean“ gesehen werden.

Soweit die Antragstellerin darauf hinweist, dass aus von Amtswegen zu berücksichtigenden Gründen zu versagende Schutzrechte nicht aufrecht erhalten werden sollten und „anregt“, amtlicherseits absolute Versagungsgründe auch im Widerspruchsverfahren zu berücksichtigen, ist sie auf die Rechtsprechung zu verweisen. Im Widerspruchsverfahren wird abstrakt nach dem Registerstand geprüft (RS0066553 [T13]). Nach dem EuGH (C-196/11 P, F1-Live, Rn 40 f) dürfen weder das EUIPO (vormals HABM) noch das Gericht der Europäischen Union (EuG) in einem Widerspruchsverfahren die Unterscheidungskraft einer eingetragenen nationalen Marke verneinen. Dies kann nur im Rahmen eines Löschungs- oder Nichtigkeitsverfahrens geschehen. Der Marke muss im Widerspruchsverfahren immer ein gewisser Grad an Kennzeichnungskraft zuerkannt werden (vgl OLG Wien 34 R 13/14b ua).

Dem unberechtigten Rekurs war daher der Erfolg zu versagen.

9. Da die Entscheidung keine Rechtsfragen von der Qualität des § 62 Abs 1 AußStrG (iVm § 139 PatG iVm § 37 Abs 3 MSchG)aufwarf und über den Einzelfall hinaus nicht bedeutsam ist (RS0111880), ist der Revisionsrekurs nicht zulässig.

In diesem Fall hat das Rekursgericht nach § 59 Abs 2 AußStrG auszusprechen, ob der Wert des Entscheidungsgegenstands, der – wie hier – rein vermögensrechtlicher Natur ist, aber nicht in einem Geldbetrag besteht, EUR 30.000 übersteigt. Diese Voraussetzung ist angesichts der Bedeutung des Markenschutzes im Wirtschaftsleben gegeben.

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