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Unterscheidungskraft ist im Hinblick auf die Waren/Dienstleistungen & die Anschauung der beteiligten Verkehrskreise zu prüfen.

Im aktuellen Fall zum Markenrecht beantragte die Antragstellerin die Eintragung der Wortmarke „SVS“ für die Waren der Klassen 36 (Versicherungswesen), 38 (Telekommunikation) und 44 (Medizinische Dienstleistungen, Gesundheitspflege).

Der Antrag auf Registrierung wurde teilweise abgewiesen. Wie kam es dazu?

Zusammenfassung

Von der Registrierung als Marke sind Zeichen ausgeschlossen, die keine Unterscheidungskraft haben. Ob ein Zeichen unterscheidungskräftig ist, ist anhand des Gesamteindrucks der beteiligten Verkehrskreise zu beurteilen. Eine Marke ist unterscheidungskräftig, wenn sie von den beteiligten Verkehrskreisen als Hinweis auf die betriebliche Herkunft der betreffenden Waren/Dienstleistungen aufgefasst werden kann.

Bei Wortmarken ist Unterscheidungskraft gegeben, wenn es sich um frei erfundene Phantasiewörter oder Zeichen des allgemeinen Sprachgebrauchs, die mit der bestimmten Ware nicht im Zusammenhang stehen, handelt. Das gilt für deutsch- bzw. fremdsprachige Begriffe gleichermaßen.

Jedenfalls nicht unterscheidungskräftig sind beschreibende Zeichen, wenn also die beteiligten Verkehrskreise den Begriffsinhalt sofort erschließen können und darin eine Aussage über Art, Beschaffenheit oder sonstige Eigenschaft der Ware/Dienstleistung erblicken.

Im konkreten Fall ist hinsichtlich der Klasse 36 (Versicherungswesen) keine Unterscheidungskraft gegeben. Denn die beteiligten Verkehrskreise, also Verbraucher und insb. Fachkreise, werden „SVS“ mit den Allgemeinen Österreichischen Speditionsbedingungen sowie in weiterer Folge mit dem darin geregelten Speditionsversicherungsschein, welcher als „SVS“ abgekürzt wird, verstehen.

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Beschluss des OLG Wien zu GZ 133R143/19f vom 16.04.2020

Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht ***** wegen Eintragung der Wortmarke SVS über den Rekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss der Rechtsabteilung des Patentamts vom 20.9.2019, AM 167/2019-2, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteigt EUR 30.000.

Der ordentliche Revisionsrekurs ist nicht zulässig.

Begründung

Die ursprüngliche Markenanmelderin „Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft“ trägt nun kraft § 47 SVSG, BGBl I 2018/100, die im Kopf dieser Entscheidung genannte Bezeichnung.

Die Antragstellerin beantragte die Eintragung der Wortmarke

SVS

in den Warenklassen

36       Versicherungswesen;

38       Telekommunikation;

44       Medizinische Dienstleistungen, Gesundheitspflege.

Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Patentamt die Eintragung der Wortmarke für die Waren und Dienstleistungen der Klasse 36 ab. Es ging davon aus, dass das Zeichen für die Waren/Dienstleistungen der Klasse 36 nicht unterscheidungskräftig sei. Die Buchstabenkombination SVS stehe für Speditionsversicherung. Die beteiligten Verkehrskreise sähen in diesem Zeichen lediglich einen informativen Hinweis, dass es sich um Dienstleistungen im Zusammenhang mit einer Versicherung im Bereich der Speditionsbrache handle.

Dagegen richtet sich der Rekurs der Antragstellerin mit dem Antrag den angefochtenen Beschluss aufzuheben und auszusprechen, dass dem Eintragungsantrag Folge zu geben sei. In eventu wird ein Zurückverweisungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

1.1. Die Hauptfunktion der Marke ist ihre Herkunftsfunktion; sie soll dem Verbraucher oder Endabnehmer die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Ware oder Dienstleistung garantieren, indem sie es ihm ermöglicht, diese Ware oder Dienstleistung ohne Verwechslungsgefahr von Waren oder Dienstleistungen anderer Herkunft zu unterscheiden (RIS-Justiz RS0118396). Deshalb sind Zeichen von der Registrierung ausgeschlossen, die keine Unterscheidungskraft haben oder die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im allgemeinen Sprachgebrauch oder nach den redlichen und ständigen Verkehrsgepflogenheiten zur Bezeichnung der Ware oder Dienstleistung üblich sind (§ 4 Abs 1 Z 3 bis 5 MSchG).

1.2. Die Beurteilung, ob das Eintragungshindernis des Fehlens der Unterscheidungskraft vorliegt, erfolgt anhand der konkret beanspruchten Waren und Dienstleistungen, für die das Zeichen angemeldet wurde (Asperger in Kucsko/Schumacher, marken.schutz² § 4 Rz 57). Die Eignung zur Erfüllung der Herkunftsfunktion muss nach objektiven Kriterien unter Berücksichtigung der Branchenüblichkeit geprüft werden (4 Ob 10/14wJimi Hendrix mwN). Abzustellen auf die Wahrnehmung der beteiligten Verkehrskreise, also auf den Handel und/oder den normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher dieser Waren und Dienstleistungen (Asperger in Kucsko/Schumacher, marken.schutz² § 4 Rz 67 mwN der Rsp; Ingerl/Rohnke, MarkenG³ § 8 Rz 73; EuGH C-104/01Orange, Rz 46 und 63; RIS-Justiz RS0079038 [T1]; RIS-Justiz RS0114366 [T5]).

1.3. Ob eine Marke unterscheidungskräftig iSd § 4 Abs 1 Z 3 MSchG ist, muss unter Berücksichtigung aller Tatumstände nach Maßgabe der Auffassung der beteiligten Verkehrskreise beurteilt werden. Entscheidend ist dabei nicht so sehr, ob die Marke an sich Unterscheidungskraft besitzt, sondern vor allem, ob sie im Geschäftsverkehr als Zeichen der Herkunft aus einem bestimmten Unternehmen aufgefasst werden kann, wobei beteiligte Verkehrskreise alle Personen sind, die als Erwerber der Waren in Betracht kommen, also insbesondere auch die Verbraucher (RIS-Justiz RS0079038). Bereits das Verständnis eines von mehreren angesprochenen Verkehrskreisen kann entscheidend sein und das Registrierungshindernis bewirken. Dies auch ungeachtet des Umstands, dass es sich um den kleineren Teil der beteiligten Verkehrskreise handelt (4 Ob 180/16y).

1.4. Die Gründe nach § 4 Abs 1 Z 3 bis 5 MSchG (Art 3 Abs 1 lit b bis d MarkenRL) sind nach der Rsp des EuGH gesondert zu prüfen (EuGH C-304/06Eurohypo; Newerkla in Kucsko/Schumacher, marken.schutz² § 4 Rz 171 ff). Unterscheidungskraft fehlt einer Wortmarke dann, wenn die maßgebenden Verkehrskreise sie als Information über die Art der mit ihr gekennzeichneten Dienstleistungen verstehen, nicht aber als Hinweis auf die Herkunft dieser Dienstleistungen (EuGH C-304/06 P, Eurohypo, Rz 69); eine beschreibende Marke iSv § 4 Abs 1 Z 4 MSchG und Art 3 Abs 1 lit c MarkenRL ist daher auch nicht unterscheidungskräftig iSv § 4 Abs 1 Z 3 MSchG und Art 3 Abs 1 lit b MarkenRL (EuGH C-363/99Postkantoor, Rz 86). Insofern überschneiden sich daher die Anwendungsbereiche von § 4 Abs 1 Z 3 und Z 4 MSchG (OPM OM 10/09Lümmeltütenparty; 4 Ob 11/14tEXPRESSGLASS4 Ob 49/14fMy TAXI).

1.5. Nach der Rechtsprechung des EuGH gelten Zeichen dann als beschreibend, wenn sie für die beteiligten Verkehrskreise eine unmittelbare und ohne weiteres erkennbare Aussage über die Art, Natur, Beschaffenheit oder Ähnliches der angemeldeten Waren oder Dienstleistungen enthalten, das heißt das Publikum muss sofort und ohne weiteres Nachdenken einen konkreten und direkten Bezug zwischen dem fraglichen Zeichen und den von der Anmeldung erfassten Waren und Dienstleistungen herstellen können (EuGH C-326/01Universaltelefonbuch, Rz 33 mwN; C-494/08 P, Pranahaus; vgl zuletzt auch 4 Ob 11/14tEXPRESSGLASS = RIS-Justiz RS0122383 [T1]; RS0117763, RS0066456, RS0066644).

1.6. Enthält das Zeichen dem gegenüber nur Andeutungen, ohne die damit bezeichnete Ware oder Dienstleistung konkret oder umfassend zu beschreiben, ist es nicht bloß beschreibend und daher auch ohne Verkehrsgeltung registrierbar (RIS-Justiz RS0109431 [T3]; RS0090799, RS0066456; 4 Ob 116/03timmofinanz; 17 Ob 27/07fländleimmo; OBm 1/12Die grüne Linie).

Bloße Andeutungen stehen einer Eintragung daher in der Regel nicht entgegen, solange sie nur in phantasiehafter Weise auf bestimmte Eigenschaften hinweisen, ohne sie in sprach- oder verkehrsüblicher Form unmittelbar zu bezeichnen. Stellt also ein Zeichen nur einen Zusammenhang mit einem allgemeinen Begriff her, ohne etwas Bestimmtes über Herstellung oder Beschaffenheit der Ware oder Dienstleistung auszusagen, liegt keine beschreibende Angabe vor (17 Ob 33/08ihappykauf mwN; OBm 3/12Lounge.at).

1.7. Unterscheidungskraft haben bei Wortmarken grundsätzlich nur frei erfundene, keiner Sprache angehörende Phantasiewörter (im engeren Sinn) oder Zeichen, die zwar dem allgemeinen Sprachgebrauch angehören, jedoch mit der Ware, für die sie bestimmt sind, in keinem Zusammenhang stehen (Phantasiewörter im weiteren Sinn). Entscheidend ist, ob die Worte im Verkehr als Phantasiebezeichnungen aufgefasst werden (RIS-Justiz RS0066644).

2. Auf dieser Grundlage ist dem angemeldeten Zeichen die Unterscheidungskraft abzusprechen.

2.1. Die Schutzfähigkeit des Zeichens SVS hängt davon ab, ob die beteiligten Verkehrskreise ihren Inhalt zwanglos und ohne komplizierte Schlussfolgerungen erschließen können und als beschreibenden Hinweis auf die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen verstehen (RIS-Justiz RS0109431).

2.2. Beteiligte Verkehrskreise sind hier alle Personen, die als Interessenten oder Abnehmer der beantragten Waren in Betracht kommen, also nicht nur – wie von der Antragstellerin angenommen – alle normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher, sondern auch die Fachkreise (Speditionen, Versicherungsunternehmen, Gewerbetreibende). Gehören zu den angesprochenen Kreisen sowohl Fachkreise als auch Endverbraucher, kann der Gesamteindruck unterschiedlich ausfallen.

2.3. Die Allgemeinen Österreichischen Spediteurbedingungen (AÖSp) wurden am 24.7.1947 vom Fachverband der Spediteure beschlossen und in der „Wiener Zeitung“ vom 9.8.1947 zusammen mit dem Speditions- und Rollfuhrversicherungsschein (SVS/RVS) veröffentlicht (vgl Schütz in Straube/Ratka/Rauter, UGB I4 Vorbemerkungen AÖSp Rz 1). Die AÖSp regeln in der Anlage 1 zu §§ 39 bis 42 den Speditionsversicherungsschein SVS. Nicht nur den oben angesprochenen Fachkreisen in Österreich ist daher seither bekannt, dass der Speditionsversicherungsschein mit „SVS“ abgekürzt wird, sondern allen Beteiligten an einem Speditionsgeschäft und damit nicht nur den Fachkreisen, sondern auch Verbrauchern. Eine überwiegenden Mehrzahl aller Speditionsgeschäfte liegen die AÖSp und damit der SVS zugrunde (vgl dazu 4 Ob 315/86). Das Zeichen ist daher für die beanspruchten Waren/Dienstleistungen (Versicherungswesen) gebräuchlich, was sich in der Verwendung des Zeichens in der juristischen Fachliteratur (vgl Schütz in Straube UGB4 Anhang II § 415) sowie in der Rechtsprechung (beispielsweise 1 Ob 473/507 Ob 174/15m7 Ob 279/03k,# RIS-Justiz RS0117298; RIS-Justiz RS0080996) und nicht zuletzt auch in Rechtsvorschriften (§ 3 der Speditionskaufmann/-frau-Ausbildungsordnung und § 3 Speditionslogist-Ausbildungsordnung) zeigt.

Diese Kenntnis der Fachleute ist bei der im Eintragungsverfahren anzustellenden Beurteilung der voraussichtlichen Wahrnehmung entsprechend zu berücksichtigen. Aus der Sicht der maßgeblichen Verkehrskreise ist die beantragte Marke damit nicht geeignet, die Ursprungsidentität der darunter vertriebenen Waren und Dienstleistungen der Klasse 36 (Versicherungswesen) zu garantieren.

Ein Wortzeichen kann von der Eintragung ausgeschlossen werden, wenn es zumindest in einer seiner möglichen Bedeutungen ein Merkmal der in Frage stehenden Waren oder Dienstleistungen bezeichnet (EuGH C-191/01 P, Doublemint, Rz 32; C-265/00Biomild, Rz 38; 4 Ob 7/05s = wbl 2005, 387, car care).

2.4. Zum Argument der Antragstellerin, dass die Verkehrsteilnehmer daran gewöhnt seien, dass zur Kennzeichnung von Versicherungsunternehmen einprägsame Abkürzungen gebildet werden (zB GKK, BVA) und daher der Abkürzung SVS in der Branche hohe Kennzeichnungskraft zukomme, ist auszuführen, dass es bei der Prüfung der Kennzeichnungskraft eines Zeichens allein auf die konkret beanspruchten Waren und Dienstleistungen ankommt, für die das Zeichen angemeldet wurde.

3. Da die Entscheidung keine Rechtsfragen von der Qualität des § 62 Abs 1 AußStrG aufwarf und über den Einzelfall hinaus nicht bedeutsam ist (RIS-Justiz RS0111880), ist der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig.

In diesem Fall hat das Rekursgericht nach § 59 Abs 2 AußStrG auszusprechen, ob der Wert des Entscheidungsgegenstands, der – wie hier – rein vermögensrechtlicher Natur ist, aber nicht in einem Geldbetrag besteht, EUR 30.000, übersteigt. Diese Voraussetzung ist angesichts der Bedeutung des Markenschutzes im Wirtschaftsleben gegeben.

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